Wasserzeichen
Bargeld

Wie sieht die Zukunft des Bargelds aus, Herr Buschmann?

12.06.2024Artikel
background
hero

NRW-Bankenverbandschef Thomas Buschmann glaubt an sinkende Zinsen auch für private Bauherren. Bargeld werde weiter zurückgehen, aber in Deutschland niemals verschwinden.

Buschmann

Interview mit NRW-Bankenverbandschef Thomas Buschmann, Kölner Stadt-Anzeiger, 12.06.2024.

 

Herr Buschmann, die Bankfiliale war früher ein soziales Element in jeder Kleinstadt, in jedem Viertel, was ist davon geblieben?

Buschmann: Ich kenne aus meiner Banklehre tatsächlich noch die Rolle als sozialer Mittelpunkt in den Städten. Ich war nach der Lehre zeitweise auch Kassierer. Ein- und Auszahlungen, Kontoauszüge, Währungstausch, die Kasse war der Hotspot jeder Bankfiliale. Diese Zeiten sind aber schon lange vorbei, da haben sich die Bedürfnisse der Kunden an ihre Bank ganz deutlich gewandelt. Heute erledigen Automaten und Online-Banking diese Geschäfte schneller und besser. Ich glaube aber, dass auch die Filiale weiterhin ein wichtiger Bezugspunkt zur Bank ist. Es ist aber so, dass der Kunde heute im Schnitt noch einmal pro Jahr in eine Bankniederlassung geht.  Wir investieren daher massiv viel Geld in andere Zugangskanäle, Online-Banking, Telefon- und Video-Banking, mobilen Vertrieb und vieles mehr.

Cross-Selling war in den 1990er Jahren das Schlagwort der Bankkaufleute. Also, den Kunden am Schalter neben der Bargelddienstleistung weitere Bankprodukte anzubieten. Wie machen Sie das denn ohne Filiale?

Das gibt es immer noch, nur eben verstärkt online. Es wird auch weiterhin Filialen geben, je nach Beratungsintensität ist sie unabdinglich, Wertpapiergeschäft, Altersvorsorge, Immobilienfinanzierung. Solche Kontakte werden heute aber nicht mehr in allen Filialen gemacht, wie das früher mal war, sondern eben in größeren Kompetenzzentren mit gebündeltem, hoch spezialisiertem Angebot.

Wie sehr bestrafen die Kunden eine Filialschließung?

Es gibt bundesweit immer noch knapp 20.000 Filialen, nur nicht mehr an jeder Straßenecke. Das kann man den Kunden auch erklären, zumal die Bank über andere Zugangswege erreichbar ist und kompetent beraten kann, auch außerhalb der Filial-Öffnungszeiten.

Wie viele gehen weg?

Defacto wechselt deswegen kaum ein Kunde bis gar keiner. Das ist ja ein Prozess aller Banken, der privaten genau wie der Genossenschaften und der Sparkassen. Die Zielgruppe der Älteren hat noch ein größeres Interesse an Filialen. Die Jüngeren erledigen ihre Bankgeschäfte online oder sogar mit dem Smartphone. Diese Kundengruppe vermisst die Filialen nicht.

Lange gab es einen Trend, Filialen durch Automaten zu ersetzen. Jetzt verschwinden auch die Geldautomaten. Wie geht das weiter?

Völlig richtig, auch Geldautomaten sind rückläufig. Zum einen gibt es inzwischen zahlreiche Alternativen außerhalb von Banken, in Tankstellen, Supermärkten, Drogerien. Zum anderen hat Corona gezeigt, dass es für viele Kunden effizienter ist, selbst Kleinstbeträge beim Bäcker mit Karte zu zahlen. Digitales Bezahlen nimmt weiter zu. Wenn Sie in die skandinavischen Länder oder nach China schauen, geht gar nichts mehr bar.

Werden wir das auch sehen?

Ich glaube, in dieser Tiefe werden wir das hier nicht sehen. Die Deutschen lieben ihr Bargeld, sie verbinden damit Freiheit, gerade beim Bezahlen.

Es gibt Wirtschaftszweige wie Prostitution oder Schwarzarbeit, die existieren nur dank Bargeld. Müsste es nicht ein Leichtes sein, diese durch die Abschaffung des Bargeldes trocken zu legen?

Das ist eine Diskussion, bei der es unterschiedliche Meinungen gibt, ob das die Lösung wäre. Bargeld zu erhalten hat ja auch ganz rationale Gründe. Es gibt immer wieder Ausfälle der elektronischen Bezahlsysteme, ich hatte es neulich selbst an der Tankstelle. Ohne Bargeld wäre ich aufgeschmissen gewesen. Am Ende ist es auch eine Generationenfrage, genau wie bei der Filial-Frage.

Die Privatbanken sind in NRW auch traditionell die Finanziers der Wirtschaft, der Industrie, auch der größeren Spieler. Wie steht der Standort NRW aktuell da?

NRW verkauft sich manchmal unter Wert. Dabei haben wir einiges vorzuweisen, hier sitzen rund 750.000 Unternehmen, wir sind das bevölkerungsreichste Bundesland. 19 der 50 stärksten deutschen Unternehmen kommen aus NRW. Wir haben auch zahlreiche ganz große globale Player hier aus NRW, der Wirtschaftsstandort ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, der siebtgrößte in Europa.

Aber sind die erfolgreich, weil sie aus NRW sind, oder trotzdem?

Sowohl als auch. Das Microsoft-Investment von 3,4 Milliarden im Rheinischen Revier als jüngstes Beispiel zeigt die Attraktivität unserer Region für ausländische Investoren.  Es gibt weitere Investitionen von Unternehmen vor Ort in NRW, aber auch solche, die im Ausland getätigt werden, in der EU, Asien, den USA.  Die Investitionstätigkeit bei den für NRW charakteristischen energieintensiven Industrien leidet aber an vergleichsweise hohen Energiekosten und zu viel Bürokratie. Die Investitionsquote sinkt immer weiter, das ist nicht gut.

Was muss die Politik tun, das abzustellen?

Die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, und da ist die schwarz-grüne Landesregierung  auf dem richtigen Weg: Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, der Arbeitskräftemangel, die Modernisierung unserer Infrastruktur sind die drängendsten Themen. Es darf nicht zwölf Monate dauern, eine Solaranlage genehmigt zu bekommen, da verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit.  Die Vernetzungs- und Informations-Plattform Finconnect NRW unterstützt die digitale und nachhaltige Transformation der Wirtschaft.

Was verbirgt sich dahinter?

Ein bundesweit einmaliges Projekt der Landesregierung zur Vernetzung der Wirtschaft im Land, getragen wird diese Initiative vom Institut der deutschen Wirtschaft, der IHK NRW und der Förderberatung Zenit. Allein in NRW werden gut 80 Milliarden Euro Investitionsvolumen jährlich bis 2045 für die Transformationsfinanzierung gebraucht.

Wie beeinflusst das Thema Nachhaltigkeit, also ESG, die Kreditvergabe der Zukunft. Ist das Thema bald bei der Kreditvergabe so relevant wie die Bonität? Gibt es keinen Kredit mehr, wenn ein Kreditnehmer nicht ausreichend nachhaltig ist?

Auch wenn das Thema Nachhaltigkeit etwas aus dem Fokus geraten ist: Jedes Unternehmen ist gut beraten, nachhaltig zu wirtschaften. Die Banken werden künftig darauf schauen, wie sich jedes Unternehmen auf das Thema vorbereitet. Die Taxonomie der EU ist die neue Richtschnur. Auch wir Banken werden daran gemessen, wie viel unserer Kredite wir für grüne Investments vergeben haben.

Heißt das in der Konsequenz, dass bestimmte Branchen aus Gründen der Nachhaltigkeit keinen Zugang zu Krediten mehr haben?

Wer sich nicht mit Nachhaltigkeit beschäftigt, für den können sich die Finanzierungskonditionen verteuern. Wir versuchen die Unternehmen aber nach besten Kräften zu unterstützen, dieses Szenario zu vermeiden. Wir wollen nicht bestimmte Industrien ausschließen.

Welche Branchen sind diesbezüglich Ihre Sorgenkinder?

Handwerker sind sicher leichter transformierbar als ein Zementhersteller. Aber wir brauchen Zement, wenn wir unsere anderen Ziele, Thema Bauen, erreichen wollen, als Beispiel. Hier bedarf es innovativer Lösungen, die wird es auch geben.
Die Zinsen sind erstmals wieder gesunken. Können sich Häuslebauer nun Hoffnung machen? Wird bauen wieder erschwinglich?

Wir hatten schon viel, viel höhere Zinsen, und es wurde auch gebaut…

Da hatten wir aber auch niedrigere Hauspreise…

3,75 Prozent Zinsen für eine Baufinanzierung wäre in den 80er und 90er Jahren eine Bombenkondition gewesen. Heute gibt es zugegeben höhere Preise. Wir werden die Rückkehr im Baufinanzierungsgeschäft aber bald sehen, der Turnaround ist bereits zu sehen. Die Belebung auf dem privaten Immobilienmarkt findet schon statt, das zeigt auch die Preisentwicklung.

Werden die Banken die Zinssenkung der EZB bei den Baufinanzierungen eins zu eins weiterreichen?

Die EZB hat die kurzfristigen Zinsen gesenkt. Wir haben immer noch eine inverse Zinsstruktur, die kurzen Zinsen sind höher als die langfristigen. Das wird sich einpendeln.

Thomas Buschmann ist seit November 2021 Vorstandsvorsitzender des Bankenverbandes Nordrhein-Westfalen. Im Hauptberuf ist er Sprecher der Geschäftsführung der Deutschen Bank in der Region Nordwest (nördliches Rheinland) und im gleichen Bereich Chef des Firmenkundengeschäftes. Der 61-Jährige stammt aus Enger bei Herford und lebt in Krefeld. Nach Abitur und Lehre bei der Deutschen Bank zum Bankkaufmann stieg er in verschiedenen Funktionen im Haus auf. Seit 2011 arbeitet er in Düsseldorf. Der Bankenverband vertritt alle Privatbanken in Nordrhein-Westfalenm, darunter auch die Commerzbank oder Santander aus Mönchengladbach. (tb)