Presseinformation

Einfach mal machen!

NRW als Motor für den Neustart – „Economy First“-Strategie gefordert

Im Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung, diskutiert Thomas Buschmann, Vorstandsvorsitzender des Bankenverbands NRW, die Notwendigkeit einer 'Economy First'-Strategie für Deutschland, insbesondere NRW, um aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen zu begegnen. 

Ob der Begriff „Zeitenwende“ den fundamentalen Veränderungen der Weltordnung und der globalen Wirtschaftssysteme gerecht wird, wird die Geschichte zeigen. Fest steht: Unser Land und unsere Wirtschaft stehen vor immensen Herausforderungen. Es geht dabei nicht nur um eine Reform, mehr denn je brauchen wir einen Neustart mit einer „Economy First“- Strategie. Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit müssen endlich wieder in den Mittelpunkt gestellt werden.
Das geplante milliardenschwere Investitionspaket ist ein guter Anfang, darf aber nicht in Gießkannenmanier verteilt werden. Die damit verbundene Verschuldung ist nur vertretbar, wenn sie gezielt in Zukunftsprojekte fließt und von tiefgreifenden Reformen begleitet wird. Ohne eine Entschlackung der Bürokratie und eine radikale Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren lassen sich die bereitgestellten Mittel weder zügig noch kosteneffizient einsetzen. Neue Schulden allein retten Deutschland nicht.

In großen Linien denken 

Es braucht eine kluge Strategie mit Prioritätensetzung und Denken in großen Linien. Staatliche Subventionen helfen erfahrungsgemäß nicht, zukunftsfähige Strukturen nachhaltig zu etablieren. Die Lockerung der Schuldenbremse sollte auf Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung fokussiert werden. Der Staat muss sich auf seine Aufgaben fokussieren, damit die Wirtschaft entfesselt wird. Die geplanten Milliarden des Bundes könnten in den nächsten Jahren wie ein Konjunkturprogramm wirken und den Aufschwung unterstützen.
Entscheidend ist jetzt, privates Kapital zu mobilisieren. Die EU-Staaten wollen ihre rechtlichen Hürden für Investitionen in Europa senken. Das ist gut so. Die Kapitalmarktunion erscheint nötiger denn je, eröffnet sie doch Chancen nicht nur für Anleger, sondern auch für Investoren, die über Börsengänge, Anleihen oder Verbriefungen Kapital für Infrastrukturprojekte einsammeln wollen. Es geht vor allem darum, die Überbürokratisierung der unzähligen und kleinteiligen ESG-Vorgaben (Environment Social Governance – kurz ESG) und damit die Überforderung der Wirtschaft abzubauen, ohne allerdings das Ziel der nachhaltigen Transformation aus den Augen zu verlieren.
Brüssel will jetzt die Berichtspflichten für Unternehmen deutlich reduzieren und auch das umstrittene EU-Lieferkettengesetz abschwächen. Auch hier muss gelten: Es geht nicht um ein paar gestrichene Paragrafen und Vorschriften, sondern um ein grundsätzliches Umdenken für eine pragmatische und effiziente Regulierung.
Nordrhein-Westfalen (NRW) hat das Potenzial, zum Motor dieses Neustarts zu werden, als das Chancenland mitten in Europa. Wir müssen dazu aber noch weiter an den Rahmenbedingungen arbeiten: Eine Reform der Unternehmensbesteuerung, mehr Fachkräfte, geringere Energiepreise und die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur sind nur einige der wesentlichen Aufgaben. Dazu braucht es vor allem noch mehr Tempo in der Umsetzung.
Mit dem Rheinischen Revier verfügt das Land über einen idealen Standort für Neuansiedlungen innovativer Unternehmen.
Hier kann gleichzeitig Wohnraum mit hoher Lebensqualität entstehen. Wir müssen NRW attraktiv für private Investoren machen, die auch bereit sind, einmal ins Risiko zu gehen.
Für Start-ups bietet das Land attraktive Förderprogramme, auch in der Wachstumsphase finden Gründerinnen und Gründer gute Ausgangsbedingungen mit rund 18 Millionen potenziellen Kunden und über 700.000 Unternehmen als Geschäftspartner. Über 20 Fintechs sind im vorigen Jahr in NRW an den Start gegangen, damit liegt das Land bundesweit auf Platz 2. Auch der Wissenschaftsstandort mit seinen zahlreichen Exzellenzclustern offeriert viele Kooperations- und Forschungsmöglichkeiten, auch für Unternehmen der Old Economy.
Eine weitere Chance bietet die Verteidigungs-und Sicherheitsindustrie. In Nordrhein-Westfalen sind zahleiche Zulieferer der Rüstungsindustrie beheimatet, Maschinenbauer, Werkzeughersteller, Stahlproduzenten, sie alle nutzen ihre zivile Kompetenz auch im militärischen Bereich. Hier könnte das Land mit einem Defence Hub eine führende Rolle einnehmen.

Die Stärken ausspielen 

NRW muss seine Stärken ausspielen. Mit der Fin.Connect.NRW hat das Land – getragen von der IHK NRW, dem IW Köln und der Zenit als Projektleiter – eine Informations-und Vernetzungsplattform zur Beschleunigung der Transformationsfinanzierung etabliert. Der Schulterschluss zwischen Wirtschaft, Politik und Banken ist wichtiger denn je. Gemeinsam mit dem Verband der Wirtschaftsprüfer werden derzeit die Vorgaben der Nachhaltigkeitsberichterstattung kritisch hinterfragt. Denn über 1.000 Berichtspunkte sind in jedem Fall zu viel. Chancen für NRW bietet auch der Finanzplatz. Über 450 Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Wertpapierdienstleister kümmern sich um die Finanzierung der Wirtschaft. Im Bankenverband NRW sind allein 55 private Kreditinstitute organisiert. Rund die Hälfte davon sind große, international tätige Banken, die ihre Kundinnen und Kunden überall auf der Welt betreuen und für 90 % der Exportfinanzierung aus NRW stehen.
Die Zeichen stehen auf Wandel. Ohne nachhaltige Transformation – inklusive Energiewende – ist ein Wirtschaftswachstum nicht mehr möglich. Nachhaltige Unternehmen werden in Zukunft nur noch von nachhaltigen Unternehmen kaufen. Wir müssen wieder Innovationstreiber werden, künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung müssen verstärkt aufgebaut werden. Mehr Resilienz wird künftig der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein. Dazu müssen aber auch die Unternehmer wieder aktiv werden. Es gibt jetzt keine Ausreden mehr, Investitionen weiter zu verschieben.
Die Zukunft gehört denen, die loslegen und anpacken. Das Momentum der Zeitenwende muss jetzt genutzt und als der letzte Weckruf für mehr Motivation und Zuversicht für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts verstanden werden. Deutschland und NRW sind nicht zuletzt gefordert, Europa zu gestalten und stark zu machen. Daher: Einfach mal machen!