NRW auf dem Weg zum „Wirtschaftswunder 2.0“

04.01.2023Publikation
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  • Hervorragend aufgestellt, bereit für den Aufbruch

Börsen Zeitung, 17.02.2022, Interview mit Thomas Buschmann

Als die Börsen-Zeitung im Jahr 1952 zum ersten Mal erschien, war Nordrhein- Westfalen (NRW) mit weitem Abstand das bedeutendste Wirtschafts- und Finanzzentrum der jungen Bundesrepublik. Die Handelsumsätze der Rheinisch-Westfälischen Börse zu Düsseldorf lagen weit über denen der hessischen Regionalbörse, die Konzerne der Stahl- und Kohleindustrie sowie Energieversorgung beherrschten die bundesdeutsche Wirtschaftsszene, über 850 Kreditinstitute – private Banken, Sparkassen und genossenschaftliche Institute – hatten hier ihren Sitz, gegenüber rund 330 in Hessen.

1951 wurde in Köln der Bundesverband des privaten Bankgewerbes, der heutige Bundesverband deutscher Banken, gegründet. Noch immer finden sich der Prüfungsverband deutscher und der Bank-Verlag in der Domstadt. Das Deutsche Aktieninstitut hat seine Wurzeln in Düsseldorf, dem „Schreibtisch des Ruhrgebiets“. Wenn man das Wirtschaftswunder dieser Tage irgendwo sehen
konnte, dann hier in Rheinland und Westfalen. Es ist viel passiert In den 70 Jahren bis heute ist viel passiert. Schon als die Börsen Zeitung ihre Berichterstattung begann, nahm die Bewegung der Zentralisierung von Banken und Börsengeschäften Richtung Frankfurt zu. Durch den Strukturwandel insbesondere im Ruhrgebiet war NRW da gerade gut mit sich selbst beschäftigt. Mit dem Rückgang der Montanindustrie mit allen damit verbundenen Problemen zogen sich viele Banken zurück oder fusionierten mit anderen.

Daraus könnte der ein oder andere schließen, dass der Finanzplatz und Wirtschaftsstandort über die vergangenen Jahrzehnte an Bedeutung und auch Selbstbewusstsein verloren habe. Natürlich gab es schmerzhafte Verwerfungen und Einschnitte in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, das bringt jede Modernisierung mit sich. Aber der vielbeschworene Strukturwandel ist bei weitem kein andauernder Sanierungsfall, sondern tatsächlich ein Musterbeispiel einer ständigen Veränderung, die jetzt besonders bei Digitalisierung und Nachhaltigkeit unter dem modernen Begriff der Transformation eingefordert wird. Das ist ein echter Standortvorteil.

Fakten sprechen für sich

Die Fakten sprechen für sich: Mit über 750 000 Unternehmen ist Nordrhein- Westfalen noch immer der bedeutendste Wirtschaftsraum in Deutschland, sogar der siebtgrößte Europas. 19 der 50 größten Unternehmen sind hier beheimatet, zudem jeweils ein Viertel der Dax 40-Mitglieder und der deutschen Weltmarktführer. Den 1. Platz in Deutschland belegt NRW mit der Zahl der Familienunternehmen (1200) und als Exportland (zu 90 % finanziert durch private Banken). Von den insgesamt 270 Kreditinstituten in NRW sind gut 70 im privaten Bankenverband organisiert. Wiederum die Hälfte davon gehören zu ausländischen Muttergesellschaften, was die Internationalität des Standorts belegt.

Damit ist NRW auf Platz 2 im Finanzplatz-Ranking positioniert – wenn man nur das Geschäft mit Kunden ohne den Interbanken-Handel betrachten würde, vielleicht noch ein Stückchen weiter vorne. Das Land ist auch für Fintechs interessant, rund 70 gibt es davon, angezogen von den Wachstumsperspektiven, die dieser Markt bietet. Ein wesentlicher Player ist die NRW.Bank als zweitgrößte Förderbank in Deutschland und viertgrößte Europas.

Auf den Punkt gebracht: NRW ist hervorragend aufgestellt und bereit für den Aufbruch. Seine Vielfalt von Industrie und Dienstleistungen sowie von Konzernen und vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, verknüpft mit der anerkannten Exzellenz zahlreicher Wissenschaftsinstitutionen und einer Vielzahl von Initiativen und Instituten des Landes, unter anderem zu Blockchain, Wasserstoff- und Batterieproduktion, erneuerbarer Energie, Scale-up-Förderung für Gründer und Klimaforschung bis hin zur Weiterentwicklung des Rheinischen Reviers zum Technologie-Hub nach Ende des Kohletageabbaus bildet die Grundlage dafür. So ist aus vielen kleinen Aktivitäten ein Gesamtbild von Innovationen entstanden, die das Land nach vorne bringen und vor allen Dingen Vorteile im globalen Wettbewerb bieten. Wichtig ist, dass alle Stakeholder gut zusammenarbeiten.

Herausforderung und Chance

Die Kreditwirtschaft kann und wird ihren Beitrag als Teil der Lösung leisten. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind die großen Herausforderungen in der Unternehmensfinanzierung, aber auch große Chancen. Mit der „Fin.Connect.NRW“ haben private Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken gemeinsam mit dem NRW-Wirtschaftsministerium und weiteren Marktteilnehmern wie Versicherungen und der NRW.Bank eine Vernetzungs- und Investitions- Plattform initiiert, die die Transformation der NRW-Wirtschaft vorantreiben soll. Das Institut für Wirtschaft Köln hat in einer Studie den Investitionsbedarf für NRW ausgewertet. Zur Erreichung der Klimaziele müssten bis zum Jahr 2030 zusätzliche Investitionen von 18 Mrd. Euro pro Jahr getätigt werden, inklusive der Ersatzinvestitionen läge der Bedarf bei bis zu 55 Mrd. Euro. Hinzu kämen noch jährliche Investitionen von 17 Mrd. Euro in die Digitalisierung. Dafür braucht es neue Finanzierungsformen und einen innovativen Finanzierungsmix, genau das wird die Aufgabe der „Fin.Connect.NRW“.

Transformation vorantreiben

Beständig ist nur der Wandel, das haben die Unternehmerinnen und Unternehmer in NRW verinnerlicht. Der Strukturwandel war eine Erfahrung, die NRW gut gemeistert hat und die jetzt auf die Transformation der Wirtschaft zu mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit einzahlt. Wird der Wandel als Chance begriffen, hat diese Aufgabe das Potenzial eines Wirtschaftswunders 2.0. Und dann hat auch die Börsen-Zeitung noch mehr über das Wirtschaftsgeschehen aus NRW zu berichten, wie sie das schon seit 70 Jahren mit einem eigenen Redaktionsteam aus der Landeshauptstadt so umfassend und kompetent wie kaum ein anderes Medium macht. Übrigens, die Verbundenheit zu Rhein und Ruhr ist nicht zuletzt an einem kleinen, aber nicht unwesentlichen Detail zu bemerken: Die Zentrale der Börsen-Zeitung in Frankfurt residiert in der Düsseldorfer Straße. In diesem Sinne: Alles Gute zum Jubiläum, auf die nächsten 70!

„Mit über 750 000 Unternehmen ist Nordrhein-Westfalen noch immer der bedeutendste Wirtschaftsraum in Deutschland, sogar der siebtgrößte Europas. 19 der 50 größten Unternehmen sind hier beheimatet.“

„Beständig ist nur der Wandel, das haben die Unternehmerinnen und Unternehmer in NRW verinnerlicht. Der Strukturwandel war eine Erfahrung, die NRW gut gemeistert hat und die jetzt auf die Transformation der Wirtschaft zu mehr Digitalisierung und Nachhaltigkeit einzahlt. Wird der Wandel als Chance begriffen, hat diese Aufgabe das Potenzial eines Wirtschaftswunders 2.0.“

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